Die Erlebnisse auf Capri48 und in Toledo sind auf die beiden Sinne des Sehen und des Hörens fokussiert: Rilke verbrachte den November 1912 in Toledo. Die Berücksichtigung dieser situativen Momente impliziert keineswegs ein Urteil über die ästhetische Relevanz des Originals und der Übersetzung, wenn man diese als eigenständige poetische Schöpfung betrachtet. Entspricht seiner Absicht das Bestreben, dass ein Nachdichter «das Original in dessen wahres Selbst» übersetzen sollte?5 Man kann dies nicht ausschließen; es bleibt aber wahr, dass eine große Übersetzung gerade durch ihre «erhellende Fremdheit» charakterisiert wird. Dieser Schwebezustand zwischen Glück und Schmerz ist zwar auch im Oximoron «dolce naufragio» zu spüren; und doch erfährt der Leser, der vielleicht an einen «immaginario amoroso» erinnert wird, diese Unendlichkeit primär als «fonte di diletto». dieses Lautsein vergleiche mit jener endlosen Stillheit. Segment Zwei Orte, die als emblematisch für den Leser von Lyrik der europäischen Moderne wirken: Recanati, zwischen Frühjahr und Herbst 1819 und Duino im Winter 1912/1913. Ma sedendo e mirando, interminati Spazi di là da quella, e sovrumani Silenzi e profondissima quiete Io nel pensier mi fingo; ove per poco Il cor non si spaura. Einem befreundeten Dichter – es handelte sich um Richard Dehmel –, der sich über sein ständiges Leben im Ausland besorgt zeigte, gestand Rilke, wie bedeutend ihm gerade dieser Umstand sei: So beschränkte ich mich unter anderem zu sagen – mich dessen keineswegs rühmend, sondern es, wenn man so will, als eine Schwäche zugebend –, daß ich arbeitend, kein Deutsch […] um mich hören könne, sondern es vorzöge, dann von einer anderen, mir als Umgangsmittel vertrauten und sympathischen Sprache umgeben zu sein: durch Isolierung […] nähme dann, erzählte ich ihm, das Deutsch in mir eine eigentümliche Sammlung und Klarheit an; abgerückt von allem täglichen Gebrauch, empfände ich es als das mir angemessene herrliche (wie herrliche: nur, vielleicht, über das Russische so zu verfügen, gäbe eine noch größere Gamme, noch weitere Kontraste des Ausdrucks!) Er ist überzeugt, dass in einem Gedicht jedes Wort seinen einzigartigen semantischen Wert, seinen einzigartigen kontextuellen Platz und seine Tonalität habe: Kein Wort im Gedicht (ich meine hier jedes «und» oder «der» oder «die», «das») ist identisch mit dem gleichlautenden Gebrauchs- und Konversationswort, die reine Gesetzmäßigkeit, das große Verhältnis, die Konstellation, die es im Vers oder in künstlerischer Prosa einnimmt, verändert es bis in den Kern seiner Natur, macht es nutzlos, unbrauchbar für den bloßen Umgang, unberührend und bleibend.25. Rilke übersetzt «siepe» nicht wie üblich mit «Hecke» sondern mit «Gehölz», einem Begriff, der eher an einen Hain oder an buschartige Bäume denken lässt. Wohl kaum. Diese Erfahrung sollte einzigartig bleiben, denn Rilke übertrug keine weiteren Gedichte von Leopardi.2 Und doch kann man vermuten, dass die Begegnung eine tiefe Spur in ihm hinterließ. spazi di là da quella, e sovrumani. Des fernsten Horizonts fast ganz verschließt. In der Erfahrung am Baum von Duino handelt es sich um ein synästhetisches Erlebnis. aufrauscht der Wind, so überkommt es mich, dass ich menschliches Schweigen und Ruhe vom Grunde der Ruh. Wie im Traum manchmal, so machte ihm jetzt dieses Wort Freude, und er hielt es für beinah restlos zutreffend. E come il vento Odo stormir tra queste piante, io quello Infinito silenzio a questa voce Vo comparando; e mi sovvien l'eterno, E le morte stagioni, e la presente E viva, e'l suon di lei. Eine zu genaue Übertragung verfehlt ihr Ziel. Ma sedendo e mirando interminati Spazi di la da quella, e sovrumani Silenzi, e profondissima quiete, Io nel pensier mi fingo, ove per poco Il cor non si spaura. Rilkes Übersetzung des Infinito folgt einer doppelten seelischen Bewegung: einerseits dem Bedürfnis, sich von der Vision der Unendlichkeit Rechenschaft zu geben, andererseits dem Impuls einer orphischen Seele nach letzten Wahrheiten. Così tra questa Immensità s’annega il pensier mio: E il naufragar m’è dolce in questo mare. Die perfekte Übertragung ist in der vollständigen Nachahmung verwirklicht: «La piena e perfetta imitazione è ciò che costituisce l’essenza della perfetta traduzione» (Zib 1988). Nach und nach erwachte seine Aufmerksamkeit über einem niegekannten Gefühl: es war, als ob aus dem Innern des Baumes fast unmerkliche Schwingungen in ihn übergingen; er legte sich das ohne Mühe dahin aus, dass ein weiter nicht sichtlicher, vielleicht den Hang flach herabstreichender Wind im Holz zur Geltung kam, obwohl er zugeben musste, dass der Stamm zu stark schien, um von einem so geringen Wehen so nachdrücklich erregt zu sein. Sie offenbart die Unterschiede in der Weltwahrnehmung der beiden Dichter. – Material.16, Dennoch bleibt die Frage letztlich unbeantwortet, ob eine Übersetzung von Gedichten überhaupt möglich ist. Er erwähnt ein kleines Fragment antiker Musik, das ihm einst Romain Rolland vorspielte. Die Forderung des italienischen Dichters, nach der «die Wirkung eines Textes in einer Fremdsprache auf unseren Geist der Wirkung der Perspektiven, die in einer camera obscura gesehen und wiedergegeben werden, gleichen soll», hat er meisterhaft erfüllt. Er hält die Verbindung zwischen dem Prozess der Verinnerlichung, der dank der memoria mit dem Ton (voce) verbunden ist, und dem sinnlichen Element (il vento) fest.    unendliche Schweigen dieser Stimme, vo comparando: e mi sovvien l’eterno, Das Rauschen des Windes besitzt eine starke emotionale Kraft, es zwingt das Ich zu einem Vergleich zwischen Lautsein und Stille («es überkommt mich»). Es geht nicht darum die Auto-Referentialität des Gedichts in Frage zu stellen, dessen Material die Sprache und nicht eine ontologische Aussage über die Außenwelt ist: «Die Bezogenheit der Gedichtsprache auf die wirkliche Welt wird prinzipiell durch die Selbstbezogenheit rückbezüglich auf die Sprache selbst relativiert.»7. "L'infinito" L'INFINITO - UNENDLICHKEIT Sempre caro mi fu quest'ermo colle, Stets war mir dieser arme Hügel lieb E questa siepe, che da tanta parte Und dies Gebüsch, das meinem Blick den Kreis Dell'ultimo orizzonte il guardo esclude. Ma sedendo e mirando, interminati spazi di là da quella, e sovrumani silenzi, e profondissima quïete io nel pensier mi fingo; ove per poco il cor non si spaura. sinkt der Gedanke mir weg ins Übermaß. e il naufragar m’è dolce in questo mare. Ma sedendo e mirando, interminati spazi di là da quella, e sovrumani silenzi, e profondissima quïete io nel pensier mi fingo, ove per poco il cor non si spaura. Soll sich in der Folge die Furcht wieder einstellen? In einem Brief sagt er: «Unser Umgang mit der Weite ist recht eigentlich auf die Vermittlung des Fensters angewiesen, draußen ist sie nur noch Macht, Übermacht, ohne Verhältnis auf uns [...], das Fenster aber setzt uns in einen Bezug.»39 Infinito silenzio a questa voce Vo comparando: e mi sovvien l’eterno, E le morte stagioni, e la presente E viva, e il suon di lei. 962–963)11. In einer der frühen Eintragungen des Zibaldone macht der Dichter eine kühne Beobachtung: «Allo sviluppo ed esercizio della immaginazione è necessaria la felicità o abituale o presente e momentanea; del sentimento la sventura.» (Zib. Also Rilke trennt die beiden Gedanken durch einen Punkt. Die Reflexion über moderne Sprachen beschäftigte Leopardi besonders in den Jahren zwischen 1821 und 1823. Wir haben es mit einer dreifachen Brechung zu tun, die man so beschreiben könnte: Metaphorisch konkretisiert sich die Figur der Unendlichkeit im Bild der Grenze sowie in den Formelementen der Erinnerung und der sinnlichen Wahrnehmung. Der kontextuelle Rahmen: Ein Mensch, angelehnt an einen Baum in einem steil zum Meer abfallenden Garten, verharrt in einer totalen Bewegungslosigkeit, «völlig eingelassen in die Natur», zuerst verweilend «in einem beinah unbewussten Anschauen». Die Grenze, die Rilke überwinden will, ist die Grenze zwischen Leben und Tod. dell’ultimo orizzonte il guardo esclude. Es lässt sich klar erkennen, welche bildlichen Vorstellungen Rilkes Aufmerksamkeit gefesselt haben. Dafür muss er auf die andere Seite der Natur hinüber wechseln. Besteht am Ende die Aufgabe des Übersetzers lediglich darin, durch den Kampf mit dem fremden Text die Bedeutsamkeit und Ausdrucksfähigkeit der eigenen Sprache zu erweitern? Ma sedendo e mirando, interminati Spazi di là da quella, e sovrumani Silenzi, e profondissima quiete Io nel pensier mi fingo; ove per poco Il cor non si spaura. Die Verwendung ohne Prädikate zeigt, dass der Kampf des Menschen mit seinen Dämonen unentschieden bleibt. Die Erinnerung ist eine zentrale Kategorie im L’Infinito. Per rendere l'idea dell'immensità e dell' infinito egli usa diverse tecniche: Usa parole molto lunghe prima di tre poi di quattro ed infine cinque sillabe (interminati sovraumani profondissima) usa vocali aperte (a,e) e consonanti dai suoni dolci (l,m,n,) per dare sensazioni di pace, serenità collega i versi tra loro in modo che il significato prosegua in quello successivo (enjambement) e isolare parole chiave (spazio, infinito, … Wie existentiell wichtig für Rilke die Auseinandersetzung mit dem Fremden als Medium einer sprachlichen Kreativität ist, welche die Kommunikationsebene hinter sich lässt, wird eindringlich in einer Briefpassage festgehalten. 1950). Und wenn in dem Buschwerk aufrauscht der Wind, so überkommt es mich, daß ich 2. infinito silenzio a questa voce. L` infinito. Der Fensterrahmen, der den Blick einschränkt, bewahrt davor, dass sich das Ich im Unendlichen verliert. E come il vento. 12) – ungefähr ein Jahr vor der Komposition von L’Infinito – formulierte er eine kühne Anforderung an den Übersetzer. Zweifellos erkennt man im Prosatext alle die Elemente, die auch die Situation des Gedichtes charakterisieren: die räumlichen und zeitlichen Komponenten des Geschehens sowie die Naturelemente, die das Tableau komponieren – Vegetation, Wind, Meer –, im Gespräch mit einem lyrischen Ich. Hier wurzelt die Dialektik zwischen Grenze und Entgrenzung, eine Thematik, die, wenn auch mit verschiedenen Akzenten, die beiden Dichter verbindet. ausschließt vom fernen Aufruhn der Himmel    Schweigen, und tiefste Stille, io nel pensier mi fingo; ove per poco Sie basiert auf der Gewissheit, dass die einzige Beziehung zur Unendlichkeit diejenige sei, die nicht durch Erkenntnis, sondern durch figuratività sensibile vermittelt wird. Dennoch ist daraus, wie wir sehen konnten, eine neue Schöpfung entstanden, die mehr als eine Nachdichtung ist. immensità s’annega il pensier mio: Er ist vorbereitet, «junge Verstorbene des Hauses aus der Wendung des Weges heraustreten zu sehen». Die italienische Sprache war Rilke vertraut; es existieren von ihm ja sogar kurze Gedichte auf Italienisch.21 Bemerkenswert ist seine Übertragung eines Teils der Rime Michelangelos. It is widely known within Italy.    ich zwischen diesen Pflanzen rauschen höre, ich jenes, infinito silenzio a questa voce Der Ehrgeiz, den höchsten Grad der Äquivalenz zwischen den Sprachen zu erreichen, ist in beiden Fällen vorhanden. E come il vento odo stormir tra queste piante, io quello infinito silenzio a questa voce vo comparando: e mi sovvien l’eterno, e le morte stagioni, e la presente Also [Io nel pensier mi fingo]; ove per poco Aber während das lyrische Ich bei den widerstreitenden Empfindungen des Rauschens des Windes und der endlosen Stille von Gefühlen großer Intensität ergriffen wird («so überkommt es mich»), ist im nächsten Satz sein Fühlen im Blick auf das einfallende Ewige wie abgekühlt. Die Erzählung Erlebnis beginnt mit einem lyrischen Ich, dem etwas «Wunderliches» widerfährt. e viva, e il suon di lei. Ma sedendo e mirando, interminati spazi di là da quella, e sovrumani silenzi, e profondissima quiete io nel pensier mi fingo; ove per poco il cor non si spaura. Die Bildhaftigkeit von Rilkes «Schiffbruch» ist schärfer als im Infinitiv des Originals, sie kommt aus einer anderen Seelenschicht. Das bewusste Weglassen des «e» deutet auf einen Prozess hin, bei dem das wahrnehmende Ich ganz auf sich selbst zurückgeworfen wird. silenzi, e profondissima quiete L’Infinito. VII). Dich nicht vergessen. Ma sedendo e mirando, interminati. odo stormir tra queste piante, io quello L’INFINITO Sempre caro mi fu quest'ermo colle, e questa siepe, che da tanta parte dell'ultimo orizzonte il guardo esclude. [den Blick] Sitzend und schauend bild ich unendliche E come il vento odo stormir tra queste piante, io quello 10 infinito silenzio a questa voce vo comparando: e mi sovvien l'eterno, e le morte stagioni, e la presente e viva, e il suon di lei. Kranke, leidende Menschen können, wenn ihre Seele feine Saiten trägt, viel müheloser zum Ewigkeitsempfinden kommen; denn sie dürfen alles träumen, was wir tun. Juni 1826 an Francesco Pacinotti bekennt er resignierend: «la perfetta poesia non è possibile a trasportarsi nelle lingue straniere».18. L'infinito (Rumänisch Übersetzung) Künstler/in: Vittorio Gassman (Vittorio Gassman, nato Gassmann) Lied: L'infinito 10 Übersetzungen; Übersetzungen: Deutsch, Englisch, Französisch #1, #2, Portugiesisch, Rumänisch #1, #2, Russisch, Schwedisch, Spanisch Italienisch . O Sternenfall, This website uses cookies to improve your experience while you navigate through the website. Die Spannung zwischen Innenraum und Außenraum, zwischen Zeit und Ewigkeit, zwischen Natur und Geschichte wird im Gefühl einer kosmischen Harmonie aufgehoben. Eine letzte Folgerung: Die deutsche Version ist von Rilkes Vision der Unendlichkeit durchdrungen. Furcht damit um. The final draft dates to the period between spring and autumn 1819. Januar 1919, die die Einheit von Leben und Tod beschwören, sind wichtige Quellen. Und wie den Wind, odo stormir tra queste piante, io quello Auf Leopardi war er durch einen Freund aufmerksam gemacht geworden. gehen in diesem Meer ist inniger Schiffbruch. e viva, e il suon di lei. Akteur des Geschehens wird jetzt die Innerlichkeit, die ‹interiorità› des Dichters. In einem Punkt scheinen sich Leopardi und Rilke zu begegnen, in einem geradezu romantischen Vertrauen in die Originalität der Sprache. Infinito silenzio a queste voce Vo comparando: e mi sovvien l’eterno, E le morte stagioni, e la presente E viva, e il suon di lei. Segment Die folgende Analyse will vor allem das Interesse auf die Problematik der Übersetzung von Lyrik durch Dichter lenken: Rilke als Leser Leopardis. Hügel und das Gehölz, das fast ringsum il cor non si spaura. Die berühmten Übersetzungen seiner Zeit in deutscher Sprache betrachtet Leopardi kritisch13, denn die gleichsam mathematische Perfektion, ja die genaue Fokussierung auf die Form ist für den Dichter eine Schwäche, die er mit einer mangelnden Vollendung der deutschen Sprache erklärt, die geschmeidig und formbar sei wie Wachs. Der Gedanke ist durchaus modern. Übersetzen ist für Rilke ein tiefes Bedürfnis,24 ein Weg, durch die Worte anderer seine eigene Sprache bis in die Tiefe auszuloten. Diese verfasste Rilke als Begleitung bei der Versendung des Almanachs. Unerklärliche Schwingungen durchziehen den Baum, er spürt, dass er auf die andere Seite der Natur geraten ist. Im Hinblick auf Friedrichs Schlegels Übersetzung des Werkes von Shakespeare hat Friedrich Gundolf gesagt, hier sei eine «völlige Symbiose» erreicht worden. Und dennoch steckt in dieser Übersetzung, der die Kraft großer Dichtung eigen ist, auch ein Appell an die Imagination der Leser. Dieses Spiel zwischen der Sphäre der ratio und jener des Gefühls prägt und strukturiert die Bildlichkeit des Gedichts. Metaphorisch wird der Geschmack der Schöpfung mit dem Wissen um die Vergänglichkeit gewürzt. Langsam um sich sehend, ohne sich sonst in der Haltung zu verschieben, erkannte er alles, erinnerte es, lächelte es gleichsam mit entfernter Zuneigung an, ließ es gewähren, wie ein viel Früheres, das einmal, in abgetanen Umständen, an ihm beteiligt war [...]. den Blick zum äußersten Horizont versperrt. Das lyrische Ich ist ein «Revenant», es kommt aus einer anderen Welt und schaut wie von außen auf sich selbst zurück: Es mochte wenig mehr als ein Jahr her sein, als ihm im Garten des Schlosses, der sich den Hang ziemlich steil zum Meer hinunterzog, etwas Wunderliches widerfuhr. Unter- Der Erzähler hat die Welt, in der er existierte, verlassen, um in eine neue einzutreten. Ein wichtiges Element, um die stilistische Qualität einer dichterischen Übersetzung beurteilen zu können, ist die Berücksichtigung der Situation, die inspirierend gewirkt hat. Noch ausführlicher schildert Rilke das Capri-Erlebnis in seinem Taschenbuch; hier sind die Anklänge an das Gedicht Leopardis deutlich zu spüren: Er gedachte der Stunde in jenem anderen südlichen Garten, da ein Vogelruf draußen und in seinem Innern übereinstimmend da war, indem er sich gewissermaßen an der Grenze des Körpers nicht brach, beides zu einem ununterbrochenen Raum zusammennahm in welchem geheimnisvoll geschützt, nur eine einzige Stelle reinsten, tiefsten Bewusstseins blieb. Cosi tra questa. Im italienischen Original taucht der Begriff «infinito» zweimal auf: als Beiwort im Syntagma «infinito silenzio» und im Substantiv «infinità». Um diesen Zusammenhang zu erläutern bedient sich Leopardi, vielleicht durch die Vedute Canalettos angeregt, eines anschaulichen metaphorischen Bildes: Di maniera che l’effetto di una scrittura in lingua straniera sull’animo nostro, è come l’effetto delle prospettive ripetute e vedute nella camera oscura, le quali tanto possono essere distinte e corrispondere veramente agli oggetti e prospettive reali, quanto la camera oscura è adattata a renderle con esattezza; sicché tutto l’effetto dipende dalla camera oscura piuttosto che dall’oggetto reale. Zwei Dichter: Leopardi, mit 21 Jahren ein Gelehrter, der eine schicksalhafte «conversione letteraria» erlebt hatte, und Rilke, mit 37 Jahren ständig auf der Suche nach einer geistigen Heimat, «denn bleiben ist nirgends».1 Der Prager, auf dem die Erlebnisse lasteten, die er im Roman Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge niederschrieb, suchte die Einsamkeit. spazi di là da quella, e sovrumani Das unheimliche poetische Kondensat, «l’infinito silenzio», tritt in Beziehung zum Wind («vo comparando») und ruft das Bild des Ewigen hervor. Rilke löst den Vers vom Kontext und übersetzt: «Und über ein Kleines geht mein Herz ganz ohne Furcht damit um». Ma sedendo e mirando, interminati spazi di là da quella, e sovrumani silenzi, e profondissima quïete io nel pensier mi fingo, ove per poco il cor non si spaura. (Zib. Rilkes Übersetzung des Infinito folgt einer doppelten seelischen Bewegung: einerseits dem Bedürfnis, sich von der Vision der Unendlichkeit Rechenschaft zu geben, andererseits dem Impuls einer orphischen Seele nach letzten Wahrheiten. L'infinito. voce: Roberta Giuffrida Sempre caro mi fu quest'ermo colle, E questa siepe, che da tanta parte Dell'ultimo orizzonte il guardo esclude. Die Vorstellung des ‹infinito› bei Leopardi wird in einer herausfordenden Begegnung mit der Idee der Grenze geboren. Nicht zufällig beginnt das Gedicht, das sonst nur das Präsens verwendet, mit einem passato remoto: «sempre caro mi fu quest’ermo colle». spazi di là da quella, e sovrumani Die Übertragung des L’Infinito blieb lange unbekannt. 2844–46). il cor non si spaura. Sie wurde erst 1938 in der Zeitschrift Corona im Zusammenhang mit einer Rede von Karl Vossler (und im Giornale storico della letteratura italiana 1938) abgedruckt.23